Anmerkungen zum Diskurs des Ökonomischen – Teil 3: Kernschmelze

Anmerkungen zum Diskurs des Ökonomischen – Teil 3: Kernschmelze

Mit dem Begriff der Kernschmelze als symbolischer Bezeichnung für eine (mögliche) massive ökonomische Krise soll ein drittes Bildfeld im Diskurs des Ökonomischen sichtbar: Neben der mythischen und (pop-)kulturellen Überlieferung (Zombie) und dem Bereich der Medizin (Virus) wird nun das Feld der Physik und der Technik interdiskursiv aktiviert. Analog findet sich aus demselben Bildfeld die Übernahme der sogenannten Kettenreaktion für die Beschreibung des Übergreifens der Krise und eines möglichen Zusammenbruchs auf weitere Organisationen. Es ist in historischer Hinsicht zu vermuten, dass die Verwendung der Symbolik der Kernschmelze seine Popularität und kollektivsymbolische Kraft erst im Zusammenhang von Harrisburg, Tschernobyl und – aktualisiert – durch Fukushima gewonnen hat.

Eine Kernschmelze steht nun kollektivsymbolisch klar für ein Bedrohungsszenario, für etwas, was außer Kontrolle gerät oder bereits geraten ist und die Grenzen der menschlichen Beherrschbarkeit anzeigt. Eine Kernschmelze setzt ungeheure Energien frei, deren (wenn überhaupt) mögliche Bändigung und Eindämmung ebenso unkalkulierbare Mittel und Opfer fordert. Sie ist mehr als eine vorübergehende „Panik“. Im Diskurs des Ökonomischen dient die Symbolik der Kernschmelze insofern als probates Vehikel, die offenbar zentrale Bedeutung entsprechender Organisationen – etwa aus dem Banken- und Finanzsektor – für die globale Stabilität anzuzeigen und zugleich entsprechende massive Rettungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Die Kernschmelze erscheint dabei als eine Figur des Aufschubs, etwas wogegen man sich mit aller Macht dagegen stemmen muss und dessen Nichteintreten eine Bestätigung der Macht ist. Im Sinne dieser Rhetorik eines Noch-nicht/nicht-mehr formuliert der ehemalige US-Notenbankchef Ben Bernanke dies im Rahmen einer Vorlesung so:

Auch wenn die Notenbank bei der Entstehung der Krise Fehler in der Aufsicht begangen habe, „haben wir die Kernschmelze des globalen Finanzsystems gestoppt“

(Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/bernanke-zur-finanzkrise-wir-haben-die-kernschmelze-gestoppt/6445546.html)

Da kann man durchaus auch einmal ein Walter Benjamin und dessen Reflexionen über den Begriff des Fortschritts denken: „Dass es so weiter geht, ist die Katastrophe“.

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