Diskurs und Ökonomie – Teil 15: Zombie-Fabriken

Im allerersten Beitrag dieser Reihe habe ich mich mit der Symbolik der sogenannten Zombie-Banken beschäftigt. Mehrere einfache assoziative Aspekte schienen hierbei wichtig. Zombie-Banken sind:

  1. bedrohlich
  2. mit eigenen Kräften begabte Wesen
  3. schwer zu bekämpfen und
  4. ein finales Ableben einer Zombie-Bank erscheint als noch stärkere Bedrohung als die Existenz einer Zombie-Bank selbst.

Nun ist festzuhalten, dass die Zombiebank nicht die einzige interdiskursive Verknüpfung des Reichs der Untoten mit dem Reich der Ökonomie darstellt. Am 1.03.2016 war auf Spiegel Online von den Zombie-Fabriken die Rede:

Chinas Fabriken produzieren zu viel. Viele Staatsunternehmen werden nur noch künstlich mit Krediten am Leben erhalten. Nun will die Regierung gegensteuern: Fünf bis sechs Millionen Arbeiter in solchen „Zombie-Fabriken“ sollen in den kommenden drei Jahren entlassen werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei regierungsnahe Quellen. (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zombie-fabriken-china-entlaesst-angeblich-fuenf-millionen-arbeiter-a-1079967.html, letzter Zugriff: 14.03.2016)

Noch drastischer in der Diktion nimmt sich einen Tag später die Meldung auf DRadio Wissen aus:

Zombies sind hässlich, gefährlich und weitgehend nutzlos. Ebenso wie viele Firmen in China. Jetzt nimmt die Volksrepublik den Kampf gegen die Zombie-Firmen auf.

Sie haben eigentlich überhaupt keine Chance zu überleben. Sie produzieren viel zu viel, sie haben wahnsinnig viele Angestellte, die eigentlich gar nichts zu tun haben, diese Unternehmen sind überhaupt nicht profitabel. Sie werden künstlich mit Krediten am (Un)Leben gehalten. Zombie-Firmen eben. Vor allem die klassischen Industrieunternehmen sind betroffen: Stahl, Kohle, Zement und so weiter. (Quelle: http://dradiowissen.de/beitrag/china-wirtschaft-mit-zombie-fabriken, letzter Zugriff: 14.03.2016)

Nun taucht hier etwas Neues in der Anrufung des Zombies auf, was beim ersten Nachdenken über die Zombie-Bank so nicht deutlich war und womöglich auch dort nicht konnotiert ist. Die Zombie-Fabrik oder Zombie-Firma erscheint hier als das Andere eines mitgemeinten vitalen Kapitalismus. Die Zombie-Fabrik fungiert als ‚konstitutives Außen‘ entlang einer Reihe von Grenzziehungen (Staat – Markt, künstlich – natürlich, aufgebläht – schlank, Nichtstun – Fleiß, unprofitabel – profitabel). Da kann man auch mal 5-6 Millionen Menschen entlassen.

Was sich hier schließlich ideologiekritisch diskutieren lässt, ist die verschleiernde Funktion des ‚konstitutiven Außen‘, gerade indem die Zombie-Fabrik einem lebendigen Kapitalismus entgegengesetzt wird. Damit kommen wir abschließend zu einem anderen Theoretiker des Untoten, nämlich Marx. Nicht vom Zombie, aber vom vampirmäßigen ist dann die Rede – dieses herrscht gleichwohl im Innenraum des Kapitalismus:

„Das Kapital ist verstorbne Arbeit, die sich nur vampirmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt.“ – Das Kapital. Band 1, MEW 23, S. 247

 

Diskurs und Ökonomie – Ältere Beiträge:

Zombiebanken

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Kernschmelze

Gaspedal und Handbremse

„Bei aller Wertschätzung für ihre tägliche Arbeit“, oder: Arbeitskämpfe als ‚diskursive Kämpfe‘

Klettertour und Basislager

Anlegerstreik

Schwan vs. Sinn, oder: in Verteidigung der Reinheit der Ökonomie

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